Bei Südwind sinkt der Wasserstand im See, das Wasser geht nach Norden zurück und verkleinert vorübergehend den Lebensraum des Fisches im südlichen Teil. "Der Stall wird kleiner", referieren die Fischer. Die Fische kommen von ihren Verstecken aus dem Schilf. Der Fisch kommt in Bewegung, und das ist gut!
Alltag am Neusiedlersee!
Nachdem das Boot klargemacht ist, biegt der kleine aber geräumige Kutter in eine Schilfstraße und wird immer schneller. In den engen Schilfgassen ist das Wasser ganz ruhig. Treibholz kann die Motorschraube blockieren und macht die Durchfahrt gefährlich. Die Schilfufer auf beiden Seiten verschließen den Blick auf die offene Weite des Sees.
Nach einigen Minuten Fahrt liegt der Neusiedlersee in seiner ganzen spätherbstlichen Pracht vor uns. Der Fahrtwind ist kalt. Die Arbeit am See ist rau. Die nasse Kälte hat so ihre Tücken. Die Fischer fahren täglich raus. Der Kutter wird langsamer und der Fischer zeigt auf die Fangstelle vor uns. "Letzte Woche haben Sportangler die Reusen geplündert", erzählt er und zeigt auf die Stöcke, die die Reusenenden zusammenhalten. "Sie sind anders gebunden!", sieht er auf einen Blick. An diesen Stellen fängt er meistens Zander und Brachsen.
Heute waren Aale im Netz. Einige wirklich schöne Exemplare – bis zu 1,5 kg – sind auch darunter. Die Fangstellen mit den Reusen sind verteilt auf dem See. Es sind 5 an der Zahl. Der Fischer fährt sie jeden Tag ab und inspiziert seine Beute. Das Boot, in dem er täglich seine Reusen abfährt, ist schon alt. Die Zeiten, als man noch wirklich gutes Geld mit den Fängen am See machen konnte, sind vorbei.
Heute ist die Ausbeute gerade mal ausreichend, um ein einigermaßen normales Leben führen zu können. Geld für neue Ausrüstung am neuesten technischen Stand bleibt da nicht mehr viel. "Seit Sommer 1965 bin ich als Fischer am See tätig", erzählt ein anderer Fischer und Gastronom. "Die Zeiten haben sich geändert. Die frischen Fische verarbeite ich heute in der eigenen Gastronomie . Der Handel ist nicht mehr wirklich lukrativ, deshalb essen wir die Fische zum Teil auch selbst. Und unsere Feinschmecker im Restaurant haben auch Ihre Freude", erzählt der Berufsfischer nicht ohne Stolz.
Fischerei an der Grenze!
Hier am südwestlichen Eck des Neusiedlersees erinnern die Straßen und Dörfer noch immer an die sozialistische Misswirtschaft. Die Menschen sind jedoch aufgeschlossen, westlich orientiert. Ein halber Kilometer Luftlinie trennt die Mörbischer Festspielbühne von dem ersten Grenzort über der ungarischen Grenze. Der südwestliche Teil des Neusiedlersees ist nur über ungarisches Gebiet erreichbar.
Die Menschen leben hier seit Jahrhunderten mit dem See und vom See. Gute Beobachtung und feines Gespür für den Lebensraum „See“ haben den Fischern am Neusiedlersee ihre Erträge gesichert. Heute ist das Gewerbe ein mühsames, wie damals. Aber der Druck ist stärker. Die Fischer kämpfen um Bestände im See und müssen hohen Auflagen Rechnung tragen.
An das berühmte "Aaljahr" im Jahre 1958 (Beginn der ersten Aalfänge) erinnert sich Erich Gruber, ehemaliger Berufsfischer am Neusiedlersee, auch heute noch gerne zurück. "Das waren noch Zeiten, als man mit anständigen Fängen wieder nach Hause fuhr".
Wie vor hundert Jahren, so ist auch heute das Produkt Fisch ein wichtiger, regionaler Bestandteil der Menschen am Neusiedlersee. Auch Fisch-Gruber schätzt die hochwertige Naturkost dieses österreichischen Binnensees. Die Liebe zur Natur und der sorgsame Umgang mit ihr, sichern auch in Zukunft eine artenreiche und gesunde Population an frischem österreichischen Süsswasserfisch.
Details zum See: Der Neusiedlersee hat eine Durschnittstiefe von einem Meter und ist leicht an allen Stellen zu Fuß zu Durchqueren. Er hat eine Länge von 36 km und eine Breite vo 5 – 17 km und eine Gesamtfläche von ca. 320 km2
© Fisch-Gruber