Fisch-Gruber auf Reisen: Der Bauch Thessalonikis

Während in Athen große Politik gemacht wird, ist Thessaloniki für viele Griechen die wahre Hauptstadt Griechenlands. Dabei kam die heute etwa 300.000 Einwohner zählende Stadt erst 1912/1913 zu Griechenland. Die strategisch wichtig gelegene Stadt am Übergang von Europa nach Asien hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich, die sich auch im Stadtbild spiegelt: Neben klassisch-griechischen Baudenkmälern stehen römische Ruinen und osmanische Badehäuser und Markthallen.
Die Agora – der Bauch Salonikis
Eines dieser orientalisch anmutenden Gebäude ist der Bezesteni, der alte osmanische Tuchmarkt. Die überdachte Markthalle mit ihren sechs Kuppeln beherbergt auch heute kleine Geschäfte und Händler. Direkt im Anschluss daran findet sich die Agorá – die neue Markthalle, in der zahlreichen Geschäften für Fisch, Fleisch, Obst und Gemüse sowie kleine Tavernen und Grillstuben Platz finden.
Um der drückenden Hitze zu entfliehen, tauchen wir in die schattigen Markthallen ein. Hier spielt sich das Leben frühmorgens ab – um die schönste Ware zu ergattern, muss man schon um 8 Uhr die Stände besuchen. Beim Betreten der Markthalle schlägt einem der Duft eines orientalischen Lebensmittelmarktes entgegen – die heiße Luft ist mit dem Duft von frischen Oregano erfüllt, den Bauern am Eingang verkauften. In den schweren Atem des Bauches von Saloniki mischt sich der Geruch von frischen Fleisch und Fisch und durchzieht die Gänge. Wir folgen dem Strom und lassen uns zum Fischmarkt treiben.
Der Reichtum des Meeres
Vorbei an Bergen von Fleisch und Gemüse kommen wir zu den Fischständen. In den engen Gängen herrscht reges Treiben, Händler preisen lautstark ihre Waren an und überbieten sich gegenseitig mit Aktionen. Auf den Ständen liegt eine herrliche Auswahl an Fisch auf Eis und wartet auf Käufer. Von geschlossenen Kühlsystemen und Hygieneprotokollen keine Spur – hier wird gehandelt und gefeilscht, wie früher. Immer wieder verscheucht ein Händler die allgegenwärtigen Fliegen und benetzt die Ware mit Wasser.
Die Griechen lieben kleine Fische aller Art. Aus ihnen lässt sich mit wenig Geld ein frugales Mahl oder eine herrliche Vorspeise zaubern. Neben Sardinen (Sardéles) und Sardellen (Gávros) werden auch zahlreiche Brassenarten, kleine Seezungen (Glóssa) und Wittlinge (Bakaliáros) angeboten. Größere Fänge finden sich eher selten – und wenn finden sie im ganzen kaum Abnehmer. Schwertfische oder große Makrelen/Thunarten werden oft in Steaks geschnitten und gegrillt. Denn große Fische sind teuer, die Familien wollen ernährt werden. Die Wildfänge werden durch eine große Menge an Zuchtware (vor allem Wolfsbarsch, Goldbrasse, Forelle) ergänzt.
Besonders lieben die Griechen auch Oktopus&Co. Dementsprechend finden sich zahlreiche frische Tintenfische im Angebot – von Oktopus, über Sepia bis hin zu Kalmaren in verschiedenen Größen. In kleineren Mengen gibt es hier und da auch lokal gefangene, fische Garnelen und Scampi zu erstehen. Einzelne Stände bieten auch lebende Taschenkrebse an, die sich in Kisten den Käufern entgegenräkeln.
Auf der Suche nach Besonderem
Wer am Markt Frischware zu guten Preisen sucht, wird fündig. Schwieriger ist es schon, echte Delikatessen oder außergewöhnliche Ware zu finden. Mehr Glück haben wir außerhalb der Stadt, bei einem kleinen Fischer in Chalkidiki. Er taucht auf Bestellung nach frischen Seeigeln, zieht mit der Angel große Wolfsbarsche, Zackenbarsche und Brassen aus dem Wasser und bringt mitunter auch echte Delikatessen mit, die sein Sohn im Restaurant Trizoni serviert.
Zum Beispiel “fuska”, zu Deutsch Seescheide – in Frankreich auch als violet oder figue de mer bekannt. Das Manteltier sieht von außen wie ein Felsstück aus, ist jedoch nur halbhart. Aufgeschnitten gibt es sein kulinarisches Geheimnis preis: Das orange-gelbe Innenleben wird mit etwas Zitrone verfeinert und roh gegessen. Der enorm herbe, intensiv jodige und langanhaltende Geschmack bleibt lange im Gedächtnis – und macht wieder Lust auf Meer!
© Fisch-Gruber 2012 – Das Meer am Naschmarkt!